Historischer Gewerbehofkomplex in der Gerichtstraße
Um 1860 befanden sich auf dem schmalen, langgezogenen Grundstück zwischen Gerichtstraße und Wiesenstraße ein Fabrikgebäude, Speicher, Pferdeställe und Wagenremisen. Später baute man mit Kesselhaus, Maschinenhaus, weiteren Fabrikgebäuden, einem Expeditionsgebäude und einem Aether-Keller das insgesamt ca. 9000m² große Gelände weiter aus.
Eigentümer war die „Chemische Fabrik J.D. Riedel AG“, die Arzneimittel, Chinin und Grundstoffe für Glühstrümpfe der bekannten Berliner Gaslaternen herstellte. Diese teilweise hochgiftigen und explosiven Chemikalien wurden im „Aether-Keller“ gelagert, der sich etwa im Bereich des heutigen Aufgangs 7 befand.
1912 gründete J.D. Riedel die „Industriestätte Nordhof“, die bis heute fast unverändert erhalten geblieben ist. Die veralteten Gebäude wurden dazu abgerissen und das vierstöckige Fabrikhaus mit den großen Fenstern, den kostbaren, glasierten Ziegeln und elektrischen Aufzügen errichtet. Erste Mieter waren damals die „AEG-Apparatefabrik, eine Likörfabrik und ein AOK-Büro. Das Wohnhaus in der Gerichtstrasse, das durch seine Größe und aufwändige Ausstattung auffiel, folgte später. Dort, wo sich jetzt der größte Hof befindet, stand bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs der imposante Mittelteil. Berichten zufolge ist dieser erst 1945 eingestürzt, als ein Geschütz explodierte, mit dessen Bedienung ein Hitlerjunge wohl überfordert war und hier wenige Tage vor Kriegsende den Tod fand.
Kunst in den Gerichtshöfen
Im Jahr 1983 mieteten die ersten Künstler zu günstigen Konditionen Gewerberäume in den sechs Gerichtshöfen in Berlin-Wedding und bauten sie nach ihren Bedürfnissen zu Ateliers um. Eigentümerin war mittlerweile die GESOBAU AG. Im Laufe der Jahre wuchs das Kunstquartier zwischen Gericht- und Wiesenstraße und entwickelte sich zu einem Ort der Dynamik und Kreativität. Hier existiert noch die für Berlin so typische Mischung aus Künstlerateliers, Werkstätten, Wohnungen und Handwerksbetrieben. Mit gut 70 Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlichster Herkunft und künstlerischer Ausrichtung ist hier inzwischen eines der größten Kunstquartiere Deutschlands entstanden.
Die Präsentation nach außen ist Tradition
Offene Ateliers haben eine lange Tradition in den Gerichtshöfen. In den ersten Jahren organisierten die Künstler, teilweise zusammen mit dem Kunstamt Wedding, Offene Ateliers, Frühschoppen und Atelierbesuche in der Veranstaltungsreihe „Lebendiges Museum“. Die Vermieterin GESOBAU AG erkannte das Potential des Kunstquartiers und beschloss, sich hier finanziell zu engagieren. 1995 veranstaltete die Künstlergruppe zum ersten Mal mit der GESOBAU zusammen Offene Ateliers unter dem Titel „Weddinger Sommerfest in Hof + Atelier“. Außerdem erschien ein von der GESOBAU finanzierter, aufwändiger Katalog der 21 beteiligten KünstlerInnen und bot erstmals einen repräsentativen Überblick des künstlerischen Schaffens in den Gerichtshöfen. Diese Version der Offenen Ateliers wurde bis zum Jahr 2002 fortgesetzt.Von August 2002 bis Januar 2004 nahmen die Künstler zusammen mit der GESOBAU regelmäßig an der „Langen Nacht der Museen“ teil, die von Mal zu Mal mehr Besucher in die Gerichtshöfe lockte.
Da die GESOBAU ihr Engagement aus wirtschaftlichen Gründen wieder reduzieren musste, gründete die Künstlergruppe 2004 den Verein „Kunst in den Gerichtshöfen e.V.“. Er verfolgt das Ziel, die Ateliers auch weiterhin zu verschiedenen Anlässen zu öffnen und die Gerichtshöfe zu einem Ort des lebendigen Austauschs für Nachbarn, Künstler und Kunstbegeisterte zu machen. Der Verein ist gemeinnützig, nicht kommerziell ausgerichtet und finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Alle KünstlerInnen der Gerichtshöfe können unabhängig von der Vereinsmitgliedschaft an den Projekten teilnehmen.
Die Art Lounge (2005–2009)
Mit Unterstützung der GESOBAU und weiterer Sponsoren wurde 2005 ein leer stehender Raum zur Art Lounge ausgebaut und in Betrieb genommen. Die Lounge stand bis 2009 den Künstlern, Gewerbetreibenden, Hof-Nachbarn und auch der GESOBAU für Veranstaltungen zur Verfügung. Sie wurde für Ausstellungen, Theateraufführungen, Workshops, Lesungen und Feiern genutzt und diente zur „Langen Nacht der Museen“ als zentraler Treffpunkt mit Informationsstand, gastronomischem Angebot und Sitzgelegenheiten. Im Jahr 2009 wurde die Art Lounge zum Gewerberaum umgebaut und vermietet.
Offene Ateliers, Workshops und Nikolaus-Vernissage
Mit diversen Veranstaltungen bietet der Verein auch heute einer breiten Öffentlichkeit an, das Entstehen von Kunst in den Ateliers kennen zu lernen, mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen. Das Angebot richtet sich nicht nur an ein kunst- und kulturinteressiertes Publikum, sondern auch an Menschen, die normalerweise nicht den Weg in eine Galerie oder ein Atelier finden.
Der Verein „Kunst in den Gerichtshöfen e.V.“
Der Vorstand seit 2024
Andrea Wallgren, Vorsitzende, Künstlerin
Anna Zett, Künstlerin
Michael Hakimi, Künstler
Christoph Rüther: Tischlermeister
Günter Ries, Künstler
Der Vorstand ist zu erreichen unter: kontakt@gerichtshoefe.de
„Kunst in den Gerichtshöfen e.V.“, Gerichtsstr. 12-13, Aufgang 7, 13347 Berlin-Wedding
Der Vorstand ab 2010
Birgit Bayer von 2010 bis 2021: Vorstandsvorsitzende
Andrea Wallgren
Eva Sörensen
Kate Schneider
Die Gründungsmitglieder des Vereins von 2004
Ulrike Hansen: Künstlerin (Malerin)
Helga Schmelzle: Künstlerin (Keramik)
Albrecht Noack: Künstler (Fotograf)
Mathias Rühl: Künstler (Maler)
Sue Hayward: Künstlerin (Malerin)
Christine Sinner: Künstlerin (Papierkunst)
Günter Ries: Künstler (Maler/Lichtkunst)
In den Gerichtshöfen der GESOBAU AG zwischen Gerichtstraße und Wiesenstraße (Baujahr 1912) befinden sich seit 1983 die Ateliers und Werkstätten von zahlreichen KünstlerInnen und Handwerks- und Gewerbebetrieben. Das Kunstquartier ist mit rund 70 Ateliers eines der größten in Deutschland. mehr